Das
Utopische
Als Reaktion auf das konservativ katholisch geprägte Nachkriegsösterreich gibt es ausgehend von den 1960er Jahren ein Drängen hin zu einer Gesellschaftskritik durch eine junge Architekt:innen-Generation: Verschiedene Strömungen der Österreichischen Architektur- und Kunstavantgarde vom Wiener Aktionismus bis zur Grazer Schule und darüber hinaus sind verbunden in ihrer Ablehnung des Alten. Die Grenzen zwischen Architektur, Kunst und Aktivismus verschwimmen und der Anspruch ist – unter anderem – das radikale Neudenken von Architektur, das Hinterfragen bestehender gesellschaftlicher, ästhetischer und formaler Strukturen und eine Suche nach Subjektivität.
Günther Domenigs Phase des Utopismus ist eng verbunden mit der Partnerschaft mit Eilfried Huth. Viele ihrer Projekte bleiben auf der Ebene von Gedankenexperimenten, die sich in Skizzen und Modellen manifestieren. Sie sind teilweise auch nicht für die bauliche Umsetzung gedacht, sondern stehen unter dem Anspruch des radikal Neuen und Anderen. Einige ihrer Bauten – etwa die Schulschwestern oder das Kirchenzentrum in Oberwart – sind nach wie vor ikonisch für ihre Zeit und die Architekten. Andere, wie Trigon 67 und die Ein- und Zubauten zur OlympiaSchwimmhalle in München, waren dem Zeitgeist der Szene entsprechend von Anfang an als temporäre Architekturen gedacht, deren Verschwinden Teil der Konzeption ist.
Während sich die frühen Bauten der 1960er Jahre stark an die Ästhetik des Brutalismus anlehnen, ist in den späteren Projekten eine Entwicklung hin zu einem organischen Ausdruck festzustellen, die mehr und mehr selbstbestimmt wirkt und einen Höhepunkt in der Z-Sparkasse in Wien Favoriten findet. Diese markiert den Auftakt der eigenständigen architektonischen Arbeit Domenigs und das Ende der Partnerschaft mit Eilfried Huth.
Projekte
- GÜNTHER DOMENIG/ EILFRIED HUTH © Gerhard Maurer, 2022 Die ungewöhnliche und einzigartige Mehrzweckhalle der Schulschwestern in Graz ist in mehrfacher Hinsicht zentral für Günther Domenigs Auffassung von Architektur sowie für seine Selbstdefinition als Künstler und Architekt. Zunächst basierte das Projekt noch auf einem mit Eilfried Huth erarbeit…→ mehr
Floraskin, 1971
Günther Domenig/Eilfried Huth gemeinsam mit Haus-Rucker-Co und Christo © Foto: Eilfried Huth, 2022 „Floraskin“ ist eine Weiterführung von „Medium Total“ mit dem Ziel, dieses in ein konkretes Architekturprojekt zu übersetzen. Anhand des Entwurfs eines Tourismuszentrums in Marokko mit Hotels, Sportanlagen und Erholungseinrichtungen entsteht, basie…→ mehrMedium Total, 1970-1973
GÜNTHER DOMENIG/ EILFRIED HUTH © Foto: Eilfried Huth, 2022 Mit „Medium Total“ greifen Domenig und Huth einen weiteren Trend innerhalb des damaligen Architekturdiskurses auf, treiben ihn aber auf die Spitze. Das totale Medium ist ein komplett in sich geschlossenes System, das die Suprahominiden, die neue Form des Menschen, umschließt. Die glibbri…→ mehrNeue Wohnform Ragnitz, Graz, 1965–1969
GÜNTHER DOMENIG/ EILFRIED HUTH © Foto: Eilfried Huth, 2022 Was mit einer konkreten Bebauungsstudie für den Grazer Stadtteil Ragnitz begann, wurde zu einer umfangreichen experimentellen Untersuchung der Idee von „Megastructure“. Zu experimentell für die Auftraggeber – die beiden jungen Architekten wurden zwar entlohnt, aber dennoch nicht beauftra…→ mehrParavent und Bestuhlung, Kirche der Schulschwestern, Graz, 1968/71
Günther Domenig/Eilfried Huth © Foto: Helga Rader, 2022 Die Bestuhlung und der Paravent stammen aus der Kapelle der Schulschwestern in Graz, die Eilfried Huth und Günther Domenig 1968 bis 1970 umgestalten, in Reaktion auf das 2. Vatikanische Konzil, das eine Neuausrichtung des Chors hin zu den Kirchenbesucher:innen vorsieht. Obwohl die Architekt…→ mehrPavillon Olympiaschwimmhalle und Restaurant Nord, München, 1970–1972
(OLYMPISCHE SOMMERSPIELE 1972) GÜNTHER DOMENIG/ EILFRIED HUTH Der „Pavillon“ und das „Restaurant Nord“ für die Olympischen Sommerspiele in München (beide nicht mehr erhalten) dokumentieren die organoide Weiterentwicklung der von Günther Domenig und Eilfried Huth gemeinsam erarbeiteten Formensprache. Die Trägerkonstruktion und die Versorgungsleitu…→ mehrTrigon 67, Graz, 1967
GÜNTHER DOMENIG/ EILFRIED HUTH Mit dem Ausstellungspavillon für das biennale Kunstfestival Trigon 67 (Ausdruck einer frühen, weitsichtigen und liberalen Kulturpolitik in Graz) erhalten Domenig und Huth Gelegenheit, sich mit der Realisierung einer temporären Architektur zu beschäftigen. Sie entwickeln eine leichtfüßige, freie Form einer Raumkonzep…→ mehrRömisch-katholisches Kirchenzentrum und Pfarrkirche Oberwart, 1966–1969
GÜNTHER DOMENIG/ EILFRIED HUTH © Foto: Gerhard Maurer, 2022 In Fortsetzung und parallel zum Bau der Pädagogischen Akademie begannen Domenig und Huth 1965 mit dem Bau der Pfarrkirche und des Kirchenzentrums in Oberwart. Zwischen den beiden Gebäuden ist ein erhöhter Kirchplatz, dahinter befindet sich die barockisierte Aufbahrungskirche Maria Himm…→ mehrKatholische Pädagogische Akademie Graz Eggenberg, 1963–1969
GÜNTHER DOMENIG/ EILFRIED HUTH © Foto: Gerhard Maurer, 2022 Der Wettbewerbsgewinn und anschließende Bau der Katholischen Pädagogischen Akademie ist das erste von Domenig und Huth realisierte Architekturprojekt. Es ist dies ein spektakulärer Anfangserfolg, der in der Dimension jenseits der Projekte eines Hans Hollein oder der Arbeitsgruppe 4 steh…→ mehr