Dokumentationszentrum Reichsparteitagsgelände Nürnberg, 1998–2001
GÜNTHER DOMENIG GEMEINSAM MIT GERHARD WALLNER
© Foto: Gerhard Maurer, 2022
Infolge der Planung für die Landesausstellung in Heft/Hüttenberg wurde Günther Domenig eingeladen, am Wettbewerb für den Bau des Dokumentationszentrums am Areal des ehemaligen NSDAP Reichsparteitagsgeländes in Nürnberg teilzunehmen. Nürnberg als „Stadt der Reichsparteitage“ sollte nach dem Plan von Albert Speer ein Aufmarschgelände mit Kongresshalle und Stadion erhalten. 1935 wurde mit dem monumentalen Projekt begonnen, dessen Bau 1941 kriegsbedingt eingestellt wurde.
Günther Domenigs Vorschlag verblüffte und überzeugte die Jury: Sein Entwurf sieht keine Erweiterung der von Ludwig und Franz Ruff geplanten Kongresshalle vor, sondern eine Durchdringung und Öffnung des bestehenden Gebäudes, eine Implementierung des neuen Dokumentationszentrums in den Altbestand.
Ein „Pfahl“ durchstößt diagonal zum orthogonalen Raster den Nordflügel der Kongresshalle, gleich einem Blitz, der diese traumatisierenden und belastenden Mauern aufbricht. Er bildet den zentralen Gang, der durch das Gebäude führt und am anderen Ende wieder aus ihm heraustritt. Die Besucher:innen durchschreiten es entlang diesem gläsernen Weg zwar immer in Distanz, zugleich aber mit Blick auf die historische Bausubstanz, um am Ende auf einer Plattform anzukommen, die einen Ausblick auf die gewaltigen Dimensionen dieser Propagandaarchitektur gewährt.
Die Klarheit und Kraft dieses Eingriffs liegt wohl auch darin begründet, dass alle Geraden in eine einzige Richtung auf einen Punkt zulaufen. Der Gestus selbst, der Schnitt, das Spalten und der Wurf sind hier Architektur. So wie die ZSparkasse ist auch das Dokumentationszentrum eine aus einer einzigen Konstruktionsskizze entwickelte gebaute Bewegung. Domenigs Eingriff ist nicht nur Zerstörung, sondern auch eine Freilegung, durch
die er in die Tiefen (Abgründe) der gebauten NS-Ideologie blicken lässt.
Für Domenig, der in einer nationalsozialistischen Familie aufgewachsen ist und sich zeitlebens als Antifaschist verstand, ist das Projekt in Nürnberg die Aufarbeitung seiner eigenen Geschichte.
„Domenig gibt so den unförmigen, nach außen natursteinverblendeten Ziegelkadaver selbst zur Leichenschau frei“ (Die Zeit, Nr. 46, 8.11.2001).